girls go math
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Girls go math ist der Mathematiktag für Schülerinnen, die wissen möchten, wie sich die Mathematik an einer Universität von der in der Schule unterscheidet. Es geht darum, die Entscheidung für ein Mathematikstudium zu erleichtern und um neugierig zu machen, wieviel mehr Mathematik sein kann: eine Sprache, mit der die Welt genauer beschrieben werden kann.
Mathematiktag für Schülerinnen der Jahrgangsstufen 10–13 (Öffentliche Veranstaltung)
Der Fachbereich Mathematik lädt einmal im Jahr alle Schülerinnen der Jahrgangstufen 10–12 (8‑st. Gymnasium) und 11–13 (9‑st. Gymnasium) herzlich ein, einen Einblick in die faszinierende Welt der Mathematik zu gewinnen.
Wozu Girls Go Math?
Mathematik an der Universität unterscheidet sich maßgeblich von jener an der Schule. Wir möchten Euch einige Zweige “unserer” Mathematik vorstellen, um Euch die Entscheidung für ein Mathematikstudium zu erleichtern.
Wir bieten 3‑stündige Module an, in denen ihr in Gruppen Mathematik an der Universität kennenlernen könnt. Je nach Teilnehmerinnenzahl kann es aber sein, dass nicht alle angebotenen Module tatsächlich stattfinden. Es kann nur an einem Modul teilgenommen werden.
Im Folgenden findet Ihr Kurzbeschreibungen der verschiedenen Module. Bei der Anmeldung habt ihr die Möglichkeit, bis zu drei Module anzugeben, die Euch besonders interessieren. Bitte beachtet, dass alle Module parallel stattfinden und ihr somit nur an einer teilnehmen könnt.
Modulübersicht
3 + 2 = 3 — 2 Ist das möglich? — Eine Einführung in die Gruppentheorie
Schon als kleine Kinder lernten wir: 3+2=5. Aber ist das wirklich so? Stell dir vor, du sitzt mit deinen Freundinnen in einer Runde mit 4 nummerierten Stühlen. Nun rückst du von Platz 3 aus — egal in welche Richtung — 2 Plätze weiter und landest so auf Platz 1. Also gilt offensichtlich 3+2=1=3–2.
Dann gibt es ja aber bestimmt auch noch Beispiele, in denen 3+2=0 oder 3+2=2 richtig sein könnte. Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, viel interessanter ist oft der Weg dorthin, also die Rechnung. Deshalb gibt es dafür sogar einen ganz eigenen Bereich in der Mathematik, nämlich die Gruppentheorie.
Wir möchten euch in unserer Übungseinheit zeigen, was es mit diesen Gruppen auf sich hat und lernen, wie wir damit unter anderem obige Ergebnisse widerspruchsfrei herleiten können.
Gewusst wie! — Mathematische Probleme mit Software lösen
Schon im Grundschulalter lernen wir mit Computern umzugehen — heutzutage sind sie nicht mehr wegzudenken. Auch die Mathematik hat reichlich Verwendung für sie. Wir möchten euch zeigen, wie und wo uns der Computer Arbeit abnehmen und erleichtern kann. Ob Funktionenschar, Ableitung komplizierter Funktionen oder Lösen von Gleichungssystemen — das Programm Maple rechnet für euch. Gemeinsam mit euch möchten wir in die Möglichkeiten dieses Programms hereinschnuppern.
Hinweis: Es sind weder Vorkenntnisse in irgendeinem Programm noch in irgendeiner Programmiersprache erforderlich. Wer mit Tastatur und Maus umgehen kann, bringt alles mit, um an dieser Einheit teilnehmen zu können.
Mathematik und Dynamik — Einführung in die Systhemtheorie
Mathematische Modelle findet man im Alltag an vielen Stellen, ohne dass man von ihnen immer weiß. Für Wettervorhersagen oder Börsenprognosen werden mathematische Modelle verwendet, die diese Prozesse mit vielen Einflüssen berücksichtigen.
Doch was passiert, wenn ein solch beschriebenes System ab einem Zeitpunkt immer gleiche Werte annimmt? Die Bevölkerung also beispielsweise weder wächst noch sinkt, da sich Geburten- und Sterberate ausgleichen?
In dem Modul zu den dynamischen Systemen wollen wir herausfinden, wie ein Modell mathematisch beschrieben werden kann und wie sich stabilisierende Zustände, die man Fixpunkte nennt, zustande kommen. Hierfür beginnen wir mit ein paar neuen Begriffen, lernen Ansätze des mathematischen Beweisens kennen und entdecken grafische Darstellungen von solchen stabilen Punkten.
Geometrie — alles eine Frage der Perspektive?
Können sich parallele Geraden schneiden? Versteht man unter einer Geraden immer eine gerade Linie? Oder könnte man statt “Punkte, Geraden und Ebenen” jederzeit auch “Tische, Stühle und Bierseidel” sagen?
Schon die alten Griechen beschäftigten sich mit verschiedenen geometrischen Problemstellungen, schon damals spielte Geometrie eine wichtige Rolle im Alltag und faszinierte die Philosophen.
Wir werden uns unter anderem einige wichtige Sätze der Geometrie in Erinnerung rufen und diese anhand einfacher mathematischer Beweistechniken auseinander nehmen. Vor allem werden wir herausfinden, wie abstrakte Mathematik anschaulich gemacht werden kann.
Mathematik mal ohne Zahlen — Eine Einführung in die Graphentheorie
Kann ein Pferd (Springer) ein Schachbrett so ablaufen, dass jedes Feld genau ein Mal besucht wird? Ist es möglich, in einer Tanzschule jeden Teilnehmer in einem Tanzpaar unterzubringen, wenn nicht jeder Mann mit jeder Frau (und umgekehrt) tanzen möchte? Wieso kann man das Haus vom Nikolaus zeichnen, ohne den Stift abzusetzen? Und warum scheitern jegliche Versuche, wenn man mit dem Zeichnen bei der Spitze des Hauses beginnt?
Dies sind nur einige Beispiele, die sich mit Hilfe der Graphentheorie untersuchen lassen. Graphen in diesem Sinn haben nichts mit den aus der Schule bekannten Funktionsgraphen zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine eigene und sehr interessante Spielart der Mathematik, die ganz ohne Zahlen auskommt. Wir wollen gemeinsam einen kleinen Einstieg in dieses Gebiet wagen. Für dieses Modul wird kein spezielles Schulwissen benötigt, lediglich ein wenig Mut, sich auf eine neue Art von Mathematik einzulassen.
Mathematik und Wirklichkeit — Eine Einführung in die Modellierung
Wie breitet sich eine ansteckende Krankheit aus und wann wird sie zu einer Epidemie? Und wie kann man das ganze mathematisch sinnvoll modellieren?
In dieser Einheit werden wir verschiedene Modelle zur Beschreibung einer Epidemie kennenlernen und mathematisch analysieren.
Eine riskante Angelegenheit? – Einführung in die Risikotheorie
Wie viel Risiko verträgst Du? Warum sollte jemand ein gewisses Risiko für Dich übernehmen wollen? Ist er solidarisch oder gewinnorientiert? Riskiert er damit seinen Ruin?
Zur Risikotheorie gehört insbesondere das Gebiet der Versicherungsmathematik. Diese zählt zu einer der ältesten mathematischen Disziplinen, und zwar aufgrund ihrer großen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Bedeutung. Denk doch mal an das Brandrisiko eines Gebäudes, Autoschäden nach einem Hagel oder an Deine Altersrente. Wieso wird eigentlich das Nichtbestehen einer Klausur nicht versichert?
In dieser Übungseinheit wird die zufällige „Schadenhöhe“ mit mathematischem Werkzeug erfasst, um danach ihren Preis zu bestimmen, und das ganz ohne Einmaleins.
Bericht über “girls go math”
Mit einem Mathematiktag für Schülerinnen der Jahrgangsstufen 10 bis 13 will der Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg mehr Mädchen für den Studiengang begeistern. In mehrstündigen „Modulen“ führten Studierende die Teilnehmerinnen in die Stochastik, die Graphentheorie, die Geometrie und die Modellierung ein. „Das Abstraktionsniveau lag über dem, was die Mädchen aus der Schule gewohnt sind“, erklärt Mitorganisatorin Prof. Dr. Andrea Blunck. „Aber die 20 Schülerinnen sind drangeblieben. Dass sich die meisten von ihnen bereits für Mathe oder eine andere Naturwissenschaft entschieden haben, freut mich sehr. So können wir Vorurteile widerlegen und den Frauenanteil in unserem Fach nach und nach steigern.“
Wie Pythagoras beim Einparken hilft, weshalb Leonhard Euler nicht über sieben Brücken spazieren konnte und vieles mehr erfuhren 20 Mädchen beim Mathematiktag für Mädchen „Girls go Math“ des Fachbereichs Mathematik der Universität Hamburg am Sonnabend, 17. April 2010. „Es ist toll zu sehen, wie viel Mathe mit unserem Alltag zu tun hat und dass das Fach viel mehr beinhaltet als wir in der Schule durchnehmen“, findet Zehntklässlerin Svenja. Sie will Mathe als Leistungskurs wählen und später auch studieren. „Und zwar nicht auf Lehramt, sondern die reine Wissenschaft.“
Wie Svenja interessieren sich immer mehr Mädchen für Mathe, beobachtet Prof. Dr. Andrea Blunck, die den Mathe-Tag gemeinsam mit Dr. Susanne Koch, Wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen sowie Studierenden organisiert. „Inzwischen haben wir ungefähr 40 Prozent Frauen in den Vorlesungen und Seminaren. Das liegt aber daran, dass auch Studierende des Lehramts dabei sind und bei denen ist der Frauenanteil sehr hoch.“ Es seien aber noch immer zu wenige, findet die Mathematikerin, die sich gleichzeitig mit Gender Studies beschäftigt. Sie habe im Laufe ihrer Karriere erlebt, dass Frauen nur schwer
in der Männerdomäne Fuß fassen. Doch inzwischen belegen Studien, dass Mädchen fast genauso gut rechnen können wie Jungen. Oder dass Mathematikerinnen ihre Problemstellungen genauso anpacken wie ihre männlichen Kollegen. Andrea Blunck hat sogar eine ganze Reihe berühmter Mathematikerinnen identifiziert und stellt diese in einer regelmäßigen Vorlesungsreihe vor.
Während Svenja gemeinsam mit ihrer Freundin Sabrina über einer Zeichnung brütet und schließlich per Satz des Pythagoras herausfindet, wie lang eine Parklücke für ein vier Meter langes Auto mindestens sein muss, malt Vanessa zum x‑ten Mal das Haus vom Nikolaus auf ihren Block. Das Gebilde, das man in einem Zug zeichnen kann, nennt man auch „Euler-Weg“, erklärt Studentin Ann-Katrin Ebert. In ihrer Einführung in die Graphentheorie kann sie nicht auf Schulwissen aufbauen. Vokabular, Denkweise und Symbole sind den Mädchen völlig neu. Graphen kennen sie nur als Abbildungen von Funktionen, aber nicht
als Gebilde aus Ecken und Kanten. Trotzdem denken sich die Mädchen schnell ein und lösen schließlich sogar das „Königsberger Brückenproblem“. Leonhard Euler hatte bei der Beantwortung der Frage, ob es einen Rundweg durch die Stadt gebe, der alle sieben Brücken genau einmal quere, den Grundstein zur Graphentheorie gelegt. Er bewies, dass ein solcher Spaziergang nicht möglich ist, da zu den vier Ufergebieten des Flusses Pregel und zur Insel jeweils eine ungerade Zahl Brücken führte. „Das Niveau ist schon deutlich anders als in der Schule“, stellt Vanessa fest. Sie will Architektur studieren und ist räumliches Denken gewöhnt. „Zu schwer war’s also nicht.“
Im Nachbarraum stürzen sich vier Mädchen auf stochastische Formeln. Julia hat sich die abstrakte Symbolsprache schnell angeeignet, fügt Definitionen in ihren Dreisatz ein und beweist im Nu die stochastische Unabhängigkeit zweier Ereignisse – eine Aufgabe, über die so mancher Studienanfänger einen Moment grübeln muss. Hinter ihr Ergebnis setzt sie stolz das Kästchensymbol „□“, mit dem Mathematiker den erbrachten Beweis kennzeichnen.
Beweise machen den Mädchen Spaß. „Das ist etwas anderes als in der Schule, wo wir nur Formeln auswendig lernen und gar nicht wissen, wie sie entstanden sind und was sie eigentlich bedeuten“, sagt Alex. Nur ein Mathelehrer der alten Schule gab ihrer Klasse manchmal Beweise auf. „Da weiß man dann nichtmal, wo man ansetzen soll.“
Student Alexander Wolf hat ähnliches erlebt, bevor er sich in Hamburg für Mathe einschrieb. „Wir haben irgendwelche Tabellen ausgefüllt, die mit Polynomdivisionen zu tun hatten. Aber als ich nach dem Sinn gefragt habe, hat mein Lehrer nur geantwortet: ‚Was hat in der Mathematik schon Sinn?’.“ Den erkennt er erst jetzt im Studium. „Die Ergebnisse sind meist ganz klar.“
„Viele Probleme lassen sich auf schöne und einfache Art lösen“, schwärmt Student Tobias Moede im Abschlussvortrag über das Mathestudium in Hamburg. „Wenn man tagelang über ein Problem nachgedacht und mit Kommilitonen diskutiert hat, kommt einem irgendwann, vielleicht morgens unter der Dusche, die entscheidende Idee für die Lösung. Das macht richtig Freude. Und manchmal sieht man später sogar: Es geht noch eleganter.“ Einen ersten Eindruck von der Schönheit der Mathematik nehmen die Mädchen an diesem Tag mit nach Hause.
Kontakt
Fragen, Anregungen oder Themenwünsche per E‑Mail an: girlsgo@math.uni-hamburg.de